11 - Exklusion und Utopie. Zur Ambivalenz paralleler Sozialität im Werk Boualem Sansals [ID:7351]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Ja, herzlichen Dank für diese sehr freundliche Einführung. Ich freue mich sehr heute Abend hier sprechen zu dürfen.

Eine kleine Bemerkung vorab, es gab da so ein kleines kommunikatives Missverständnis.

Ich habe die Zitate jetzt alle auf Französisch in die PowerPoint gepackt.

Wer spricht denn kein Französisch? Vielleicht darf ich das ganz platt fragen.

Dann würde ich einfach nach den Zitaten das nochmal kurz zusammenfassen, ja? Auf Deutsch.

Und wenn Ihnen immer noch etwas unklar ist, dann einfach vielleicht ein Signal geben und dann, ja, gut.

Gut, Sie haben im Verlauf der vergangenen Wochen und Monate nun schon so manches zu Parallel- und Alternativgesellschaften gehört.

Sei es im lateinamerikanischen Kino, der deutschen, spanischen oder portugiesischen Gegenwartsliteratur oder auch im Werk Michel Uelbeks.

Dementsprechend schwer wird es werden, dem bereits Gehörten und Diskutierten noch die ein oder andere Pointe abzugewinnen.

Ich will es aber dennoch versuchen, um mich dabei auf das Werk eines francophonen Algerias beziehen,

der in den letzten Jahren auch in Deutschland an Bekanntheit gewonnen hat.

Was sich unter anderem an der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels im Jahr 2011 ablesen lässt.

Und dessen zentrale Romane dank des Merlin-Verlages auch in deutscher Übersetzung verfügbar sind.

Also auch für jeden zugänglich, die Französisch nicht so gut beherrschen.

Der 1949 in Téniert-El-Hatt in Algerien geborene Boilems Sansal fand nach einer Ingenieursausbildung

und einer vielversprechenden Karriere im algerischen Staatsdienst erst spät zur Literatur.

Und debütierte im zarten Alter von 50 Jahren mit dem Roman Le Sermon des Barbar,

zu deutsch der Spur der Barbaren im Jahr 1999.

Der das Trauma des algerischen Bürgerkriegs zwischen dem algerischen Militär und radikal-islamistischen Gruppen wie der FIS,

dahinter verbirgt sich die Front Islamique du Salut, also die Islamische Heilsfront, behandelt.

Auch wenn das Erscheinen des Romans Sansals Entlassung aus dem Staatsdienst zur Folge hat,

wird sein literarisches Debüt noch im selben Jahr mit zwei Literaturpreisen ausgezeichnet.

Dem Prix du premier Roman und dem Prix tropique.

Aus dem seither auf sieben Romane, zahlreiche Novellen und mehrere monographische Essays angewachsenen Werk Sansals,

möchte ich heute Abend zwei Romane herausgreifen, die in besonderem Maße und in je eigener Weise das Thema der Parallelgesellschaft verhandeln.

Zunächst den 2008 erschienen und mehrfach ausgezeichneten Le Village de l'Allemand

und Le Journal des Frères Schillin, also das Dorf des Deutschen oder das Tagebuch der Brüder Schiller.

So dann sein jüngsten Roman aus dem Jahr 2015, De mille quatre le fans du monde, 2084, das Ende der Welt.

Im Verlauf der Analyse dieser beiden sehr unterschiedlichen Romane wird es daher um folgende Fragen gehen.

Erstens, welche Formen von Parallelgesellschaften entwirft der jeweilige Roman

und inwiefern dienen diese den narrativen Strukturierungen?

Zweitens, wie wird Roman intern das Konzept einer Parallelgesellschaft selbst beurteilt?

Wie aus dem gewählten Titel des Vortrags Exklusion und Utopie hervorgeht, werden wir insbesondere mit Blick auf die zweite Frage auf sehr kontriere Antworten stoßen.

Le Village de l'Allemand erzählt nun die Geschichte zweier Brüder, Rachel und Malrich,

die in Algerien als Kinder eines deutschen Vaters und einer algerischen Mutter geboren wurden.

Wegen der besseren wirtschaftlichen Perspektiven aber bereits in jungen Jahren zu Verwandten nach Frankreich geschickt wurden

und inzwischen die französische Staatsbürgerschaft angenommen haben.

Das komplexe Palimpsest ihrer Identität zeigt sich bereits in ihren Namen.

Rachel ist die Kontraktion der beiden Vornamen Rashid und Helmut.

Malrich diejenige von Malek und Ulrich.

Während beide den mehr als deutschen Familiennamen Schiller tragen.

Erzählt wird der Roman in Form zweier alternierender Tagebücher,

in deren Sprachgistos zugleich das Bildungs- und durchaus auch Reflexionsgefälle der beiden Brüder deutlich wird.

Während sich der ältere und beruflich erfolgreiche Rachel eines gewählten teils literarischen Stils bedient,

artikuliert sich in Malrichs Aufzeichnung das von Verlain und Umgangssprache durchsetzte Idiom der französischen Bonlieus.

Die Grundstruktur des Plots ist dabei diejenige einer Ermittlung.

Der Roman setzt ein mit dem Selbstmord des älteren Rachel.

Ein unfassbares Ereignis, das den jüngeren Malrich zu Nachforschungen antreibt, wie es dazu kommen könnte.

In der Lektüre des Tagebuchs seines älteren Bruders entdeckt Malrich damit sukzessive die Schrecken der eigenen Herkunft.

Presenters

Dr. Paul Strohmaier Dr. Paul Strohmaier

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:32:04 Min

Aufnahmedatum

2017-01-31

Hochgeladen am

2017-02-02 20:05:31

Sprache

de-DE

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